Was meinen die Grossen über 200 Jahre von Nikolaj Vassiljewich Gogol
Galina Khotinskaya (Chotinskaja)

Das Jahr 2009 ist von UNESCO als Gogol Jahr erklärt. . Gogol wurde nicht nur in Russland und weltweit dank seiner durchdringenden Ironie und Satire geschätzt. Der erzählirische Duktus, narrative Ethik des Gogol liegt in der Tradition der deutschen so wie der russischen nicht normativen Sittlichkeit.
Wir versuchen einige Äußerungen von Nikolaj Gogol und über Nikolaj Gogol zusammenzustellen, um den Maßstab dieser Persönlichkeit zu verstehen. Gogol gehört zu den genialsten Vertretern der Weltliteratur. Gogols Werke sind eine Fundgrube für die Weltliteratur. Aus dieser Fundgrube wird die Weltliteratur noch lange Ideen schöpfen. Unwahrscheinliches und Unglaubwürdiges so darzustellen, als ob es wirklich passierte, war die eigenartigste Stilkunst von Nikolaj Gogol. Die Mehrzahl Gogols Hyperbeln überspringt die Grenzen aller realen Möglichkeiten. Und alle seiner Hyperbeln verfolgen nur ein Ziel: “Unerhörte und nie gesehene Schönheit auf der einen und unsägliche Niederträchtigkeit des Gemeinen auf der anderen Seite“ zu zeigen Dmitrij Tschizewskij. Sein „Revisor“ wird bis heute auf allen Bühnen der Welt gespielt. (Übrigens schon im Jahre 1849 wurde „Revisor“ in Deutschland übersetzt, in der Republik der Wolgadeutschen gab es zwei Aufführungen in der Stadt Engels im Jahre 1935 und 1938 mit Bemerkungen von Herwarth Walden. Sogar literarischer Papst Marcel Reich-Ranickischrieb in seinem Buch „Mein Leben“ auf der Seite 110, dass er Gogol in seiner Jugend gelesen hat und sein Verhältnis zu ihm war respektvoll, aber distanziert. Es gab die Vertonungen von „Revisor“ in Frankreich schon im Jahre 1940, auch gab es solche in England und Spanien, es gab Verfilmungen in Deutschland im 1922( „Seine Exelenz der Revisor“), dann im 1932( die Regie von G. Gründgens „eine Stadt steht Kopf“, es gab eine Verfilmung unter Regie von M. Fric im 1933 in Tschechoslowakei und in 1949 in USA( die Regie von H. Koster “The Inspektor General“, es gab Verfilmungen von „Revisor“ in Japan, Indien, China. Besondere Berühmtheit erlangte die Inszenierung von Stanislawskij und Chehov im 1908, dann im Oktober 1921, weltberühmt war die Inszenierung von W. Meyerhold in Moskau 1926 mit Erast Garin als Chlestakow und im Jahre1984 von Alexander Dsekun in Saratow (Szenografie E. Ivanow) bekam „Goldene Melpomene“.
In einem Brief nach der Premiere charakterisierte Gogol selbst seinen Helden so: “ Chlestakov betrügt nicht im geringsten; er ist durchaus kein Lügner von Profession; er vergisst, dass er lügt, und glaubt fast selber daran, was er spricht..... ein junger Mann, ein Beamter,... ein Windbeutel, dem jedoch viele Eigenschaften innewohnen, die auch solche Leute besitzen, welche von der Welt keineswegs als Windbeutel bezeichnet werden. Diese Figur sollte für vieles typisch werden, was in den verschiedenen russischen Charakteren zerstreut liegt, und sich hier zufällig in einer Person zusammengefunden hat, wie dies ja auch in der Natur sehr oft vorkommt... “ Unvergesslich bleibt der letzte Satz mit Verzweiflungsausbruch des betrogenen Polizeimeisters.“ Dreißig Jahre bin ich Beamter; kein Kaufmann, kein Unternehmer konnte mich jemals übers Ohr hauen; Halunken über Halunken habe ich betrogen; gerissene Kerle, die ganze Welt bestohlen haben würden, hab ich hineingelegt. Drei Gouverneure hab ich beschwindelt... Ach du dicknasiger Narr! Einen Kienspann, einen Lappen für einen großen Herrn halten! Da fährt er jetzt hin mit Schellenklang! In die ganze Welt trägt er die Geschichte hinaus..“ Am Ende spricht der Autor folgende Sätze: “Seltsam: es schmerzt mich, dass nicht einer die ehrliche Person bemerkt hat, edle Persönlichkeit, die hier während der ganzen Dauer mitwirkt. Diese ehrliche, edle Persönlichkeit ist das Lachen.“ Der Sturm der Verleumdungen nach dem „Revisor“ hat Gogol gezwungen, Russland zu verlassen: „Ich reise ins Ausland, dort will ich mich losmachen von der Betrübnis, die mir meine Landsleute tagtäglich bereiten. Ein moderner Schriftsteller, Komiker, Sittenschilderer muss möglichst weit weg sein von seiner Heimat. Der Prophet gilt nicht seinem Vaterlande.“
Zu Welterfolg wurden alle Werke von Gogol, besonders muss man die Verfilmungen von „Taras Bulba“, die in Russland schon im 1909( Regie von A. Drankov) gemacht worden waren. Sogar die erste Verfilmung in Deutschland war im Jahre 1910 ( die Regie von V.V. Strichewskiy), in 1936 in Frankreich( die Regie von Granowskij), USA in 1961 die Regie von J. Lee Thompson, in 1963 in Italien( die Regie von F. Baldi).
Nikolaj Gogol ist ein außergewöhnliches Phänomen des russischen Geistes, der in seinen Werken alle Tabus und Vorurteile zerstörte, der von Anfang an von dem verborgenen, magischen Aspekt der Welt und der eigene Person wusste.
Henry Troyat behauptete“: Dieser kleine Mann ist vielleicht das ungewöhnlichste Originalgenie, das die Welt je gekannt hat. Er taucht als einzigartiges Phänomen unter den Schriftstellern seiner Epoche auf und reißt, unberührt von jeglicher Einfluss, alsbald seine Leserschaft mit in eine Welt, in der das Lachen und die Angst einander korrespondieren,“„ In den Augen des westlichen Lesers sind die beiden Säulen der russischen Literatur Dostojewskij und Tolstoj; in den Augen des russischen Lesers stehen sie beide im Schatten einer anderen Gestalt: eines kleinen Mannes mit einer spitzen Nase, einem Vogelblick und einem sarkastischen Lächeln.“
Wie eine Prophezeiung empfinden wir heute Gogols folgendes Geständnis:“ Ein Unsichtbarer schreibt mit machtvollem Stabe mir vor. Ich weis, dass mein Name nach mir glücklicher sein wird als ich, und die Nachkommen eben jener Landsleute werden vielleicht meinem Schatten mit tränenfeuchten Augen ihre Versöhnung darbringen.“
Gogol war überzeugt: “Gott hat mich geschaffen und hat mir meine Bestimmung nicht verborgen. Ich bin keinesfalls dazu geboren worden, auf dem Gebiet der Literatur Epoche zu machen.“ Gogol hat in der Literatur Epoche gemacht. Die Seele und das Hauptanliegen der Seele sind in Gogols Auslegung jener Angelpunkt, von dem aus man Berge versetzen kann“: In ihr liegt der Schlüssel zu allem. „Die Seele und nur die Seele muss jetzt zum Gegenstand der Erkenntnis gemacht werden, und ohne das lässt sich nichts ausrichten. Aber nur der kann die Seele erforschen, der schon begonnen hat, an seiner eigenen Seele zu arbeiten...“

Nikolaj Vasiljevich Gogol wurde am 1 April 1809 in Sorocincy (Gouvernement Poltava) geboren. Er starb am 4 März 1852 in Moskau). Mit Gogol beginnt die neue Periode der russischen Literatur, die von den russischen Literaturkritikern die Gogol - Periode genannt wird. Belinskij schrieb in „Erlebtes und Gedachtes“: “Gogol hat die eine Seite des Vorhangs ein wenig gelüftet und uns das russische Beamtentum in seiner ganzen Scheußlichkeit gezeigt; aber Gogol´ versöhnt unwirklich durch sein Lachen, sein ungeheures komisches Talent gewinnt die Oberhand über die Erbitterung. Außerdem war es ihm in den Fesseln der russischen Zensur kaum möglich, an die traurige Seite dieser schmutzigen unterirdischen Höhle zu rühren, in der die Schicksale des armen russischen Volkes geschmiedet werden“.
In „Tagebuch eines Schriftstellers“(1877)macht Dostojewskij folgende Bemerkung“: Gogol ist, was Gewalt und Tiefe des Lachens angeht, der größte in der Welt(Moliere nicht ausgenommen)... Unsere Satiriker haben kein positives Ideal. Gogols Ideal ist eigenartig: zugrunde liegt ihm das Christentum, aber sein Christentum ist kein Christentum“.
Vladimir Nabokov meinte“: Puschkins Prosa hat drei Dimensionen; die Gogols mindestens vier. Man kann ihn mit seinem Zeitgenossen, dem Mathematiker Lobatschewskij vergleichen, der den Euklid in die Luft gejagt und schon vor hundert Jahren viele der Theorien entdeckt hat, die Einstein später fortentwickelte. Wenn Parallelen sich nicht schneiden, so nicht, weil sie es nicht können, sondern weil sie anders zu tun haben. Gogols Kunst, wie sie sich im „Mantel“ darstellt, macht glaubhaft, dass Parallelen sich nicht nur schneiden können, sondern sie imstande sind, zu schlingern und sich auf höchst ausgefallene Weise zu verheddern, geradeso wie zwei Säulen, die sich im Wasser spiegeln, zu den wackligsten Verformungen fähig sind, falls das nötige Gekräusel da ist. Gogols Genie ist genau dies Gekräusel“.
Georg Brandes war sicher“: Mit Gogol kam ein neuer Hauch von Russland nach Europa. Mit ihm hörte der Dichter auf, sich selbst darzustellen. Er ging ganz in seinem Thema auf, und der Leser bekam nicht mehr Eindrücke vom Seelenleben eines Weltmannes und Weltbürgers, sondern von der nationalen Eigenart der Stoffe, so wie sie sich in der Seele eines echten Russen spiegelten. Gogol war ein immenses Talent, das sich zwei- bis dreimal zum Genie steigerte, aber jedes Mal schnell wieder zurücksank, denn es war ein Genie ohne Weltschau, das sich weder auf Bildung noch auf Charakter stützen konnte“.
Thomas Mann war der Überzeugung“: Von Gogol an ist die russische Literatur modern; es ist mit ihm alles auf einmal da, seither so dichte Überlieferungen ihrer Geschichte geblieben ist: statt der Poesie des Kritizismus, statt der Naivität die religiöse Problematik und statt der Heiterkeit die Komik... Seit Gogol ist die russische Literatur komisch – komisch aus Realismus, aus Leid und Mitleid, aus tiefster Menschlichkeit, aus satirischer Verzweiflung und auch aus einfacher Lebensfrische; aber das gogolische Element fehlt nirgends und in keinem Fall“(„Über Mereschkowskij“, 1922).
In „Petersburger Notizen „von 1836 forderte Gogol russische Charaktere, russische Gauner und russische Käuze: “Auf die Bühne mit ihnen, zum Gelächter für alle! Das Gelächter ist eine großartige Sache: es bringt niemanden ums Leben oder um sein Hab und Gut, aber der Schuldige gleicht dabei einem Hasen in der Schlinge!“
In Autorenbeichte vom 1847 schrieb er“: Wenn schon gelacht werden soll, dann wäre es doch das Beste, ordentlich zu lachen, und über das, was wirklich allgemeinen Spott verdient. Im „Revisor“ hatte ich mich entschlossen, alles Üble in Russland, das ich damals kannte... auf einen Haufen zusammenzutragen und mit einem Mal gleich alles zu verspotten“. Gogols Revisor gibt ein einmaliges Bild von der Beamtenkorruption, die ganze Nation vergiftet hat. Selbst Gogol schrieb über die Lösung des „Revisors“ im 1846.“ „Alle sind ohne Ausnahme einverstanden, dass es solch eine Stadt nicht gibt: es wäre ganz unmöglich, dass irgendwo bei uns alle Beamten, ausnahmslos, derartige Menschen sind: es gibt doch immer wenigstens zwei oder drei ehrliche Menschen, hier aber keinen einzigen. Kurzum, eine solche Stadt wie die im „Revisor“ gezeichnete, gibt es nicht. Wie aber, wenn dieses die Stadt unserer Seele wäre, und in jedem von uns gelegen ist?“ Gogols „Revisor“ zeigt perfekte dramatische Technik, satirisch überzeichnete Personen, groteske Handlungssituationen, unerwartete Konfliktlösungen, spritzige meisterhafte Dialoge in Form einer gesellschaftskritischen Komödie.
Gogol hat mehrmals versichert, dass er das Sujet des „Revisors“ und „Die Toten Seelen“ von Puschkin bekommen hat. Gogols Cicikov, dieser „Reisender war überall wie zu Hause und zeigte sich als erfahrener Weltmann, wovon auch immer die Rede war.... er war von allen Seiten ein ordentlicher, solider Mensch. Alle Beamten waren über seine Ankunft vergnügt. Der Gouverneur erklärte, er sei ein wohlgesinnter, der Prokuror versicherte, er sei ein Bewunderer, der Oberst der Gendarmerie, er wäre ein gelehrter Mann; der Gerichtsvorsteher nannte ihn einen achtungswerten, der Polizeimeister nannte ihn einen achtungs- und liebenswürdigen und dessen Frau den liebenswürdigsten und gefälligsten Mann.“ „ Als ich Puschkin die ersten Kapitel der „Toten Seelen“ in ihrer damaligen Gestalt vorlas, wurde er, der bei meinem Lesen immer lachte( und überhaupt gern lachte), allmählich immer trübsinniger und war schließlich ganz verdüstert. Als ich zu Ende gelesen hatte, sagte er mit schwermütiger Stimme: „Mein Gott, wie traurig ist doch unser Russland!“ Das machte mich betroffen. Puschkin, der Russland so gut kannte, hatte nicht bemerkt, dass das alles eine Karikatur und meine eigene Erfindung war! Das sah ich erst, was es heißt, wenn etwas aus der Seele genommen ist, überhaupt, was Seelenwahrheit bedeutet, und in welch entsetzlicher Gestalt dem Menschen die Finsternis und das erschreckende Fehlen des Lichts vorgeführt werden kann. Seitdem denke ich nur mehr daran, wie dieser niederschmetternde Eindruck gemildert werden konnte“(aus dem 3 Brief über die „Toten Seelen-1843.


“Es gibt in Russland kein Leben für schöne Menschen. Einzig die Schweine sind dort zählebig.“
Aber Gogol wusste nicht, dass sein Cicikov allen Ländern und allen Zeiten angehört; Er nimmt nur verschiedene Formen an, um sich den Anforderungen der Nationalität und der Zeit anzupassen.

In „Revue des deux mondes“ im 1850 schrieb Prosper Merimee´: “Als Beobachter scharf bis zur Kleinlichkeit, das Lächerliche aufzuspüren, entschlossen, es bloß zu stellen, aber geneigt, es bis zur Harlekinade zu übertreiben, ist Nikolaj Gogol vor allem ein Vollblutsatiriker. Er ist unerbittlich gegen Dummheit und Bosheit, hat aber nur eine Waffe zur Verfügung: die Ironie... das Komische ist bei ihm immer nahe an der Farce, und seine Heiterkeit ist kaum ansteckend. Wenn er seinen Leser hin und wieder zum Lachen bringt, so hinterlässt er doch am Grunde der Seele ein Gefühl der Bitterkeit und des Unmuts...“
Mehr als zehn Jahre lebte Gogol in Europa.
Im August 1829 reißt Gogol zum ersten mal nach Lübeck und schreibt im Brief an seine Mutter: “Heute morgen gegen drei Uhr bin ich in Lübeck eingetroffen. Sechs Tage war ich zu Wasser unterwegs... die Ärzte verordneten mir eine Badekur in Travemünde, einem kleinen Städtchen achtzehn Werst von Lübeck entfernt; Für die Anwendungen muss ich mich dort nicht länger als zwölf Wochen aufhalten...“ im Brief vom 13 August 1829 gibt er genauere Beschreibung von Lübeck“: ...Diese recht altertümliche freie Handelstadt gehörte zu den Frühenden Städten, die den berühmten Hansebund bildeten, mit dem unser Vaterland8insbesondere Nowgorod) ständige Handelsbeziehungen unterhielt.“ In dieser Beschreibung kann man schon die Unverwechselbarkeit seines Stils spüren: “...Die Häuser sind nicht groß, aber außerordentlich hoch - diese Höhe wirkt noch beeindruckender, weil sie so schmal sind, dass die Vorderfassade nicht mehr als vier Fenster in einer Relief auf der ganzen Front aufweist; alle bestehen zum großen Teil aus vier, fünf und mitunter sogar noch mehr Stockwerken. Ich schreibe Ihnen bei Nacht- das Fenster ist geöffnet, der Mond scheint, und die Strasse wirkt verzaubert. Hier haben Sie einen Blick auf die Strasse von meinem Fenster aus, den ich in aller Eile auf dem Papier festgehalten habe. So sehen die Häuser in Lübeck aus: Alle Häuser sind dicht aneinander gebaut und werden an keiner Stelle durch einen Zaun getrennt. In den Häusern herrscht ungewöhnliche Reinlichkeit; in der ganzen Stadt gibt es keinerlei unangenehme Gerüche, wie das gewöhnlich in Petersburg der Fall ist, wo man an manch einem Haus nicht vorübergehen mag..... die Bauernmädchen tragen hübsche Schnürleibchen, mit einem Schirm am Arm drängen sie sich vom Morgen bis zum Abend auf den Märkten und in sauberen Strassen“(Einige Kritiker vermuten, dass Gogol diese erste Reise aus Leidenschaft zu einer Frau gemacht hat.)

Es ist bekannt, dass am 6 Juni 1836 Gogol von St. Petersburg am Bord des Dampfschiffes „Nikolaus 1“ auch in Richtung Lübeck nach der Aufführung von „Revisor“ reiste. Es gibt Gogols Zeichnungen “Häuser in Hamburg“ oder „der Aachener Dom“ in einem Brief an seine Schwestern vom 1836. Seine Flucht damals war so überstürzt, dass er sich weder von Puschkin noch von Schukovskij verabschiedete, dem er später berichtete“: Die Toten gehen lebhaft voran, frischer und munterer als in Vevey – und es kommt mir ganz vor, als ob ich in Russland wäre: alles, was ich vor mir sehe, ist von dort: unsere Gutsbesitzer, unsere Beamten, unsere Offiziere, unsere Bauern, unsere Holzhäuser, kurz: das ganze rechtgläubige Russland. Es kommt mir richtig komisch vor, dass ich die „Toten Seelen“ in Paris schreibe... Riesig ist meine Schöpfung, und ihr Ende noch nicht abzusehen. Es werden noch weitere Stände und gar viele verschiedene Herrschaften gegen mich aufstehen, aber was soll ich tun! Es ist halt mein Los, mit meinen Landsleuten in Feindschaft zu leben. Geduld!“ In dieser Zeit macht sich Gogol mit den Werken solchen berühmten Deutschen im Gebäude der Weltgeschichtsschreibung, wie Schlötzer, Müller und Herder bekannt. Für lange Zeit werden ihre Namen für die ganze Menschheit als Wegweiser bleiben: “Sie haben viel, sehr viel Licht in die Weltgeschichtsschreibung gebracht, und wenn wir heute eine Reihe beachtlicher Werke haben, so verdanken wir das ihnen allein“, schreibt er.

Später reist er zusammen mit Danilewskij durch ganz Deutschland von Hamburg, Bremen bis Aachen, dann über Köln, Mainz, Stuttgart, Frankfurt nach Baden-Baden, Wiesbaden. Insgesamt besucht er über 77 deutsche Städte, bereist ganz Europa: Frankreich, Schweiz, Italien, Montblanc, Veveey, Paris, Rom, Baden-Baden, Frankfurt, Genf, wieder Rom, Neapel, Paris, Rom, München, Marienbad, Gräfenberg, Wien. Nach den Jahren 1843 wechselt Rom – Florenz – Verona – Gastein – München- Aachen- – Frankfurt - Stuttgart- Bad Ems, Baden-Baden, Düsseldorf, Nizza, Frankfurt und s. w.

In vier Briefen( aus den Jahren 1843-1846) an verschiedene Personen anlässlich der „Toten Seelen“ schrieb er: „... Meine Helden sind der Seele deshalb so vertraut, weil sie der Seele entstammen; alle meine letzten Werke sind die Geschichte meiner eigenen Seele“.
Die Antwort auf die Frage – nach den tugendhaften Figuren, die im Roman nicht gezeigt werden - ist folgende:
„ Diese lassen sich nicht mit dem Kopf ausdenken. Solange man nicht selbst wenigstens andeutungsweise ihnen gleicht, solange man nicht selbst mit eherner Stirn unter großem Kraftaufwand einige gute Eigenschaften für die Seele erkämpft - solange wird alles, was deine Feder schreibt, ein Leichnam bleiben und so weit von der Wahrheit sein, wie die Erde vom Himmel“. „Ich habe nie etwas rein aus der Phantasie geschöpft und erzeugt, ich besaß nie diese Fähigkeit. Mir glückte immer nur das, was ich aus dem wirklichem Leben und aus Tatsachen schöpfte, die mir bekannt waren. Einen Menschen erraten konnte ich nur dann, wenn ich mir seine äußere Gestalt bis auf die feinsten Einzelheiten vorstellen konnte.“

Gogols dichterische Werke(Abende auf dem Vorwerk bei Dekanka“(1831-32),“ Die Geschichte , wie Ivan Ivanovich mit dem Ivan Nikiforovich verzankte“(1834), „Die Toten Seelen“(1835-1841), „Mirgorod“(1835), “Taras Bulba“(1835)“, „Aufzeichnungen eines Wahnsinnigen“1835)(in Deutsch übersetzt schon im Jahre 1839), „Newskij Prospekt“(1835),“ „Die Nase“1836), „Revisor“(1836), „Die Heirat“(1842) stellen unfassbarsten, überraschendesten und originalsten Welten dar. Mit folgendem Schlusswort endet sich plötzlich die Novelle „die Nase“: „... wie können sich Schriftsteller solche Sujets aussuchen? ... Erstens hat das Vaterland nicht den geringsten Nutzen davon; zweitens – aber auch zweitens ist kein Nutzen dabei...“
D.S. Mirskij bemerkte:“ Weder Puschkin noch Tolstoj besaßen etwas von dem sprühendem Vulkan seiner schöpferischen Phantasie“. Gogols Prosa ist aus zwei romantisch extremen und kontrastierenden Elementen zusammengesetzt: aus kunstvoller sprachlicher Erhabenheit und groteskem Humor. Gogol schrieb nie einfach, immer ist es eine in hohem Masse rhythmische oder kunstvoll nachahmende Sprache.... „ Seine Prosa ist niemals leer,“- behauptet Mirskij, - „sie lebt ganz aus den Schwingungen des wirklichen Gesprächs. Dies macht sie auch, mehr als jede andere russische Prosasprache unübersetzbar.“ Man kann widersprechen dieser Meinung. Nikolaj Gogol ist in Deutschland hervorragend übersetzt.

“Wir kommen alle aus Gogol ´s Mantel“ war die Meinung von Fedor Dostojewskij. Einfluss von Gogol auf die deutsche Literatur ist enorm. Als Beispiel können wir Günther Grass und Siegfried Lenz nennen.
Und wie aktuell klingen Gogols Worte aus seinem Werk „die Frau in der Öffentlichkeit(1846)“: Der Einfluss der Frau kann sehr groß sein, gerade jetzt, in der heutigen Gesellschaftsordnung oder Gesellschaftsunordnung, in der wir zum ersten mit einer erschlafften Zivilisation zu tun haben, zum Zweiten mit einem gewissen Erkalten des Gemüts, einer moralischen Ermüdung, die nach moralischer Neubelebung verlangt. Soll diese Belebung erreicht werden, so bedarf es der Mitwirkens der Frau.“

Wenn ich heute an Gogol denke, erinnere ich an die Troika, die Cicikov in schneller Fahrt aus dem Roman herausfährt. Diese Troika wird unvermittelt mit Russland verglichen, an das sich der Erzähler mit der besorgten Frage wendet“: Russland? Wo eilst du hin? Es gibt keine Antwort... alles, was es auf Erden gibt, fliegt vorbei, und mit scheelem Blicktreten die anderen Völker und Staaten zur Seite und geben ihm den Weg frei. “Und welch Russe liebt nicht das schnelle Fahren? ...Es ist, als höbe dich eine unbekannte Gewalt auf ihre Flügel, und nun fliegst du dahin, und alles fliegt mit...“ Das Lachen von Gogol nach Andrej Sinjawskij, ist die Überwindung der Materie. Gogols Lachen ist der geistige Rausch der russischen Ironie. Diese Ironie meinte Gogol: “ist in allen unseren Sprichwörtern und Lieder zu erkennen und erstaunlicherweise häufig dort, wo die Seele offenbar leidet und keineswegs fröhlich gestimmt ist. Die Tiefe dieser urtümlicher Ironie ist uns immer noch verborgen, weil wir, an sämtlichen europäischen Vorbildern erzogen, uns auch hier von der angestammten Wurzel entfernt haben. Die Neigung zur Ironie jedoch ist geblieben, wenn auch nicht mehr in derselben Form. Man findet kaum einen Russen, in dem die Gabe aufrichtiger Ehrfurcht nicht mit der Eigenschaft verbunden wäre, über jeden beliebigen Gegenstand von Herzen zu lachen. Diese Eigenschaft besaßen alle unsere Dichter
Ob die Literatur die Menschen erziehen kann und die Welt verändern, ist fraglich. Nicht zufällig sagte Marcel Reich-Ranicki: Vermochte Gogols „Revisor“ die Bestechlichkeit im zaristischen Russland zu mindern? Wie Thomas Mann in einem seiner Briefe auf solche Frage geantwortet hat. “Wir brauchen Literatur zu Freude, zum Vergnügen und zum Glück – nicht mehr und nicht weniger“. Und wir brauchen heute Nikolaj Gogol zu Freude, zum Vergnügen und zum Glück.
Übrigens, zu den besten Kenner Gogols in Deutschland gehören Angela Martini, Wolfgang Kasack, Irmgart Lorenz, Reinhard Lauer, Michael Wegner, Georg Schwarz, Günther Grass, Wolf Scmidt und Sweltlana Geyer.

 Galina Khotinskaya